Meine Review zu Jagged Alliance 3

Meine Review zu Jagged Alliance 3

Eines sei zur Review von Jagged Alliance 3 vorneweg gesagt: Ich gehöre zur absoluten Fangemeinde der Jagged Alliance Spiele (also bis zum 2. offiziellen Teil) und habe über 20 Jahre auf einen würdigen Nachfolger gewartet. Diese Review wird damit wohl ein wenig befangen ausfallen.

Dafür ehrlich und authentisch ;-)

Einleitung

Als ich hörte, dass Jagged Alliance 3 kommen soll, war ich ehrlich gesagt nicht sonderlich euphorisch. Zu tief sitzt noch der Schmerz, den viele versemmelte Versuche, das Franchise in eine Neuauflage zu packen, verursacht haben.

Ob sie nun BACK IN ACTION, FLASHBACK oder HIRED GUNS hießen. Alle samt Schrott und mehr als enttäuschend.

Beinahe hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben… 

Dann – mit zunehmender Berichterstattung der Entwickler – fühlte es sich richtig gut an. Auch der Mut, den Titel als offiziellen dritten Teil zu pushen, imponierte mir. Erste Screenshots, Gameplay-Auszüge und die Tatsache, einen der Entwickler (Ian Currie) der ersten beiden Jagged Alliance mit an Bord zu haben, überzeugten mich zusätzlich…

Jagged Alliance 3 wird kommen!

Keine falsche Erwartungshaltung

Aber Vorsicht! Wenn im Jahr 2023 ein Jagged Alliance erscheint, wird es niemals so „special interest“ Ding, wie die damaligen Spiele. Heute muss ein Spiel den Geschmack der breiten Masse so gut wie möglich treffen, es darf nicht zu schwer sein und sollte übliche Gameplay Mechaniken zeitgenössischer Spiele beinhalten.

Kurz gesagt: Wer ein Jagged Alliance 2 in aktueller Grafik, neuer Story und etwas aufgeputscht in neuem Setting erwartet, kann sich gleich wieder an sein geliebtes Altspiel setzen. Schließlich geht es auch bei Haemimont Games um Geld ;-)

Leider stelle ich aktuell immer wieder fest, dass viele diese Einsicht nicht teilen und Jagged Alliance 3 ungerechter Weise abwatschen. In teilen zumindest. Denn mit einer aktuellen Metascore von 82 ist das alle andere als schlecht.

Deshalb werde ich mich in der folgenden Review auf Spielinhalte beziehen, die vor diesem Hintergrund hätten besser oder schlechter sein können. Ein direkter Vergleich mit einem 24 Jahre alten Jagged Alliance 2 ist nicht möglich.

Jagged Alliance 3 Screenshot

Auf Ernie Island beginnt das Abenteuer

 

Spielumfang

Das Spiel erschien am 14. Juli 2023. Angespielt hatte ich es einige Tage später und gestern (das erste Mal) beendet. Das ist für meine Verhältnisse schon sportlich. Aber hey, ich sagte ja ich bin JA-Suchti :-)

Mit einer Spielzeit von etwas über 60 Stunden habe ich mir auch sehr viel Zeit für Nebenquests und Erkundung gelassen.

Gespielt hatte ich direkt auf dem zweiten Schwierigkeitsgrad „COMMANDO“ und natürlich ohne den einfachen Modus. Bin ja sozusagen Veteran der ersten Stunde…

Die Masochisten-Optionen „Tot ist tot“ und „Bis zum bitteren Ende“ entsprechen nicht so meinem Spielstil und sind eher was für den 5.-6. Durchgang, während ich wieder 20 Jahre auf Teil 4 warte.

An dieser Stelle sei aber gleich angemerkt, dass ich ungefähr ab der Hälfte des Spiels einen gefühlten Spaziergang erlebte. Das Bankkonto wuchs auf bis zu 1 Million Dollar an, meine 6 Söldner waren alle übermächtig und irgendwie machte die KI teils ganz komische Dinge. Ich würde also jedem Rundentaktik-Fan und speziell JA-Erfahrenen direkt empfehlen, den dritten Schwierigkeitsgrad „Mission Impossible“ zu wählen.

Zum Thema mit den Diamantenminen und der Tatsache, dass diese mit der Zeit ausgeschöpft sind: Ich sehe das total relaxed!

Im Netz wird hier über unangenehmen Zeitdruck und unnötige Spielmechanik geschrieben. Es gibt sogar eine Mod im Steam-Workshop, die das ausschaltet.

Hey Leute, das Finanzmanagement war schon immer eine Herausforderung in Jagged Alliance! Unabhängig davon ist es echt kein Problem. Ich hatte wirklich getrödelt und war am Ende Millionär. So what!?

Im späteren Spielverlauf kommt durch eine unvorhergesehene Wendung der Story nochmal extra Kohle rein und wir finden ständig Diamanten, Edelsteine und hacken uns mit einem Technikspezialist zusätzlich Taschengeld rein.

Ganz zu schweigen von Erlösen aus Quests, speziellen Gegenständen und Diamantenlieferungen (15.000 $ pro Überfall!) Wenn wir nicht gerade 30 Söldner zum Bier trinken anheuern, passt alles.

Zusammengefasst sehe ich den Spielumfang, inkl. dem leicht vorantreibenden Finanzmanagement als genau richtig. 

Jagged Alliance 3 Satellitenansicht

Satellitenansicht bzw. Sektorenübersicht

 

Wie sich Jagged Alliance 3 spielt

Um es in einem Satz auf den Punkt zu bringen: Es spielt sich wie ein Jagged Alliance und das „Feeling“ ist sofort wieder präsent! Dieser Satz würde mir persönlich als Review schon reichen und ich würde es sofort kaufen.

Angefangen vom anheuern der Söldner, der Erstellung des eigenen Charakters, der Auftragsvergabe, dem 2001er Technik-Setting, der Musik, der Satellitenkarte und schließlich dem Hauptteil: die Kämpfe in den Sektoren.

Es ist einfach alles vorhanden, was mich immersiv und stundenlang vor den PC fesselt!

Die Kunst, die Jagged Alliance schon immer hatte: Es wird niemals langweilig. Auch der dritte Teil bringt diese gewisse Magic mit. Da ist mir auch völlig Wurst, ob die Zwischensequenzen teils etwas flach sind oder eine deutsche Sprachausgabe fehlt. Wobei letzteres der absolute Hammer wäre!

In den letzten Jahren habe ich viele gute Rundentaktik-Spiele gezockt. Von XCOM über Wasteland bis hin zu Mutant Year Zero. Hier geht übrigens es zu meiner Rundentaktik-Topliste.

Keines davon konnte mich im Kampfsystem jedoch so begeistern, wie das von Jagged Alliance. Und das hat der dritte Teil gottseidank beibehalten!

Stichwort Trefferwahrscheinlichkeit

Ein besonderes Merkmal ist dabei die Anzeige der Trefferwahrscheinlichkeit. Nämlich keine.

Nur in Jagged Alliance entsteht dieses Hoffen und Pokern bei einem Schuss auf gut Glück. Aber auch das mit der Zeit erlernte Abschätzen, ab welcher Distanz ein Schuss eher auf den Kopf oder den Körper angebracht ist. Ebenso mit welchem Einsatz der Aktionspunkte für besseres Zielen.

Aktuelle, vergleichbare Spiele mit Anzeige der Trefferwahrscheinlichkeit (also alle?) verleiten dazu, dass es oft zu einer anderen taktischen Vorgehensweise führt. Vielleicht ein wenig berechenbarer und dafür etwas weniger Nervenkitzel, um es vorsichtig auszudrücken.

Bei einem weit entfernen Schuss auf halbe Deckung würde ich bei der Anzeige von 3% Trefferchance niemals abdrücken. Also taktisch klug die Aktionspunkte nutzen und umplanen. Bei einer ähnlichen Situation in Jagged Alliance wird dann schon mal alles auf eine Karte gesetzt. Wenn der Schuss dann entgegen aller ballistischen Gesetzte sitzt und der der Gegner zu Boden geht, kann man sich Dopamin aus dem Ohr zapfen :-)

Ich finde es super, dass sich Haemimont Games dazu entschieden hat, diese Einzigartigkeit beizubehalten und ich zitiere: „Feuergefechte in ihrer ganzen chaotischen und unaufgeräumten Pracht“ darzustellen. Vielen Dank!

(Für alle, die trotzdem die genaue Trefferwahrscheinlichkeit brauchen, gibt es eine offizielle Mod)

Jagged Alliance 3 Screenshot

Das Zielsystem

Grafik

Was zu all diesen gewohnten Eigenheiten hinzu kommt, ist eine wunderschöne Grafik mit vielen Licht- und Umgebungseffekten, ein sich auf das Spiel auswirkendes Wetter sowie zerstörbare Deckung. Jeder Sektor ist liebevoll und detailliert gestaltetet. Ob Stadtgebiet, Wüste oder Sumpflandschaft.

Wer kann sich noch an die platten Sektoren aus den ersten beiden Teilen erinnern, bei denen wir immer die Baumkronen deaktiviert hatten?

Neueste Technologien der Kantenglättung, eine drehbare Karte – EINE DREHBARE KARTE! und ein angemessener Zoom sind zwar heute irgendwie State of the Art. Für vernachlässigte Jagged Alliance Fans, die seither den zweiten Teil bis zum Erbrechen spielen, jedoch (r)eine Wohltat.

Ganz ohne Spaß ist das auch für heutige Verhältnisse echt gut abgeliefert. 

Quests

Wie gewohnt gibt es neben der Hauptaufgabe viele kleine Quests durch NPCs, die wir quasi im Vorbeigehen aufschnappen.

Am Ende stellt sich sogar heraus, dass sich diese in Verbindung mit unseren Entscheidungen zum Teil auf die Story auswirken. Bzw. beeinflussen wir dadurch mit, wie es mit Grand Chien weitergeht, wenn wir unseren Auftrag erledigt haben und zufrieden in den Sonnenuntergang reiten.

Wir können durch geschicktes Verhandeln (abhängig von den Fähigkeiten der Söldner) hin und wieder bessere Optionen in den Gesprächen wählen und sogar neue (kostenfreie) Söldner verpflichten. Oder wir erhalten einen Batzen Geld und Diamanten, und so weiter…

Viele Quests verlangen uns jedoch Entscheidungen ab, die nicht immer leicht sind.

Wollen wir zum Beispiel zulassen, dass eine beginnende Seuche durch abscheuliche Experimente an gesunden Menschen bekämpft wird oder riskieren wir lieber eine weltweite Pandemie?

Manche Nebenquests hatte ich zum Teil nicht ganz verstanden. Einige waren mir dann einfach zu doof und boten zu wenig Anreiz. Wiederum andere blieben mir durch meine Trödelei und gewisse Entscheidungen verwehrt.

Aber so ist das eben mit den Quests in Rollenspielen.

Jagged Alliance 3 Screenshot

Interaktion mit NPCs für eine Quest

Neues in Jagged Alliance 3

Was mir ganz gut gefallen hat, sind die neuen Operationen, die wir mit den jeweiligen Söldnertrupps in einem Sektor durchführen können. Neben den Klassikern wie Verletzungen behandeln, trainieren oder Milizen ausbilden, werden darüber nun auch Munition und Sprengkörper hergestellt. Vorausgesetzt wir besitzen genug Rohstoffe und einen spezialisierten Söldner.

Immer wieder lese ich, dass viele Spieler den Online-Shop „Bobby Ray’s“ vermissen. Ja, es war schon cool, sich Munition, Medizin und Granaten liefern zu lassen. Aber es nervte auch etwas, das Zeug dann in einem bestimmten Sektor abzuholen. Und irgendwie war die Auswahl oft etwas vergriffen.

Die neue Methode hat auch was. Vor allem, weil wir durch die benötigten Rohstoffe einen zusätzlichen Anreiz zum looten der Sektoren haben. Das passt ganz gut zusammen. Denn allgemein ist das Thema Loot etwas höher aufgehängt als früher.

Weitere Operationen können dann spezielle Aufgaben sein, wie z.B. eine Krankenhausbehandlung, Leichen vergraben, Mine erweitern und so weiter. Dinge, die etwas Zeit beanspruchen und unsere Söldner dann eben tun müssen.

Crafting & Waffen modifizieren

Was sich im zweiten Teil noch als Crafting bezeichnen konnte, wurde in Jagged Alliance 3 leider etwas beschnitten. Man könnte es eher „installieren“ nennen. Denn wir machen nichts anderes, als Teile zusammenzuführen, die dafür gemacht sind. Also bspw. Platten in die Rüstungen einsetzen oder Zünder an C4 basteln.

Mehr zum Austoben gibt es dann bei den Waffen, die wir modifizieren können. Dazu wurde eine coole, separate Waffenansicht geschaffen, bei der wir an typischen Waffenelementen (Schaft, Zielvorrichtung, Magazin, etc.) Extras hinzufügen oder Bestehendes verbessern. Sprich Reichweite erhöhen, Aktionspunkte verringern, mehr Munition und vieles mehr.

Als Rohstoff dienen dazu wiederum sehr wenige Utensilien. Einmal die „Bauteile“, welche wir überall finden und die wir auch für andere Dinge benutzen. Dazu Stahlrohre, Linsen und Computerchips. Das übliche Klebeband hatte ich schon etwas vermisst an dieser Stelle (vor allem beim improvisierten Schalldämpfer).

Das ist dann auch schon alles. Die Auswahl an modifizierbaren Teilen ist recht umfangreich mit verschiedensten Eigenschaften.

Irgendwie kam es mir dann fast schon vor, als wäre es zu einfach, per Modifikation aus einem mittelklassigen Schützen (Treffsicherheit 60-70), fast einen Scharfschützen zu machen. Denn die Teile werden relativ schnell und häufig gefunden.

Jagged Alliance 3 Screenshot

Waffen modifizieren in Jagged Alliance 3

Was mir nicht gefallen hat

In der Einleitung hatte ich bereits klargestellt, dass ich auf keinen Fall einen direkten Verglich mit dem Vorgänger veranstalte. So gut wie eben möglich. Trotzdem gibt es ein paar Punkte, die hätte man einfach besser machen können. Unabhängig davon…

Inventarmanagement

Die Idee des Truppenvorrats, also eine unbegrenzte Sammelbox für Munition, Bauteile und Medizin ist an sich gar nicht so schlecht. Somit muss ich nicht jedem Söldner seine eigene Munition in die Tasche stecken und das Gefummel mit der Munition entfällt.

Aber bei so einem Spiel gehört das doch irgendwie dazu. Ja, ich hätte es sogar begrüßt, wenn einzelne Magazine zu befüllen sind. Eine gepflegte Inventarpflege zwischen den Einsätzen macht doch fast Spaß, oder nicht? Logischerweise müssten dann die einzelnen Söldner wieder ein größeres Eigeninventar haben. Dass dieses generell an den Wert der Stärke gekoppelt ist, fand ich wiederum cool.

Irgendwie ist das ganze System mit Inventar, Truppenvorrat und Sektorenversteck noch nicht ganz rund. Nicht schlimm aber einfach nicht ganz rund.

Was mich aber so richtig genervt hat, ist der Itemplatz am Kopf des Söldners.

Genauer gesagt, dass es nur die Möglichkeit für Helm ODER Nachtsichtgerät gibt. Wie oft ich es versäumt hatte, die richtige Ausrüstung wieder auf den Kopf zu stecken. Irgendwann war es mir egal und ich lies alle mit Nachtsichtgerät in der Mittagszeit kämpfen.

Ob es nun weitere Ausrüstung wie Richtmikrofone (und da ist schon der Vergleich) oder Sonnenbrillen gibt, ist mir relativ egal und die Entscheidung der Entwickler. Aber nur einen Itemplatz am Kopf, sodass ich ständig hin und her wechseln muss, ist schon etwas frech. Sorry…

Jagged Alliance 3 Screenshot

Das Inventarmanagement in Jagged Alliance 3

Teils schwache KI

Weiter oben hatte ich drei große Spiele aus diesem Genre genannt. Bei keinem dieser hatte ich den Eindruck, dass die KI manchmal wie besoffen und bekifft gegen meine Kämpfer antritt.

So laufen die zum Teil wie im Gänsemarsch einer nach dem anderen in die Überwachungskegel. Andere wiederum suchen an genau der gleichen Stelle Deckung, an der ich schon zwei ihrer Kammeraden mit genau dem selben Angriff erledigt habe. Und dann kann es vorkommen, dass sie einfach NICHTS machen.

Richtig auffällig wird das im Endgame. Zumindest im Commando Schwierigkeitsgrad.

Mit 6 Söldnern hatte ich reihenweise Sektoren innerhalb weniger Minuten überrannt, ohne einen Treffer zu kassieren. Selbst Außenposten waren da nicht wirklich furchteinflößender. Vom Kampf im letzten Sektor oben rechts ganz zu schweigen :-/

Mein Fazit zu Jagged Alliance 3

Es ist tatsächlich die lang erwartete Fortsetzung und macht so verdammt vieles richtig. Dazu die perfekte Atmosphäre, super Storytelling, Musik und einfach das typische Jagged Alliance Feeling as ever. Ganz großes Lob an das Entwicklerteam und mein tiefsten Respekt, sich an dieses fast verbrannte Franchise heranzutrauen.

Schön, dass auch vieles übernommen wurde, was die bisherigen Spiele so einzigartig machte. Beispielsweise die völlig unterschiedlichen Söldner mit ihren Sprüchen, Launen, Eigenschaften und Namen. Oder wie angesprochen das Ziel- und Kampfsystem. Perfekt wäre nun nur noch die deutsche Sprachausgabe ;-)

Die zwei, drei kleinen Punkte schmälern den Spielspaß nur geringfügig und schließlich gibt es ja künftig viele Mods, die sich dieser Kritikpunkte ja vielleicht annehmen.

Ich bin auf jeden Fall bereit, den zweiten und dritten Durchgang zu spielen und die eine oder andere Mod auszuprobieren. Aber bitte Haemimont Games, lasst uns nicht wieder 20 Jahre warten!

> HIER GEHT ES ZUR WERTUNG UND MEHR SCREENSHOTS! <

1 Kommentar

  1. Mega Game! Danke für diese Review!

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