Als das Projekt gamer83.de im Januar 2014 online ging, sollten Spielebewertungen ein wesentlicher Bestandteil sein.
Die Idee dahinter war es, anders zu bewerten als große Magazine oder typische Gaming-Portale: Nicht zu wissenschaftlich, nicht zu haarspalterisch, nicht zu überdimensioniert.
Zu oft von klassischen Testberichten enttäuscht bzw. verunsichert, wollte ich auf einfache Weise aufzeigen ob das Spiel Spaß macht oder nicht.
Denn wenn wir ehrlich sind, geht es doch nur DARUM.
Nicht, ob die verwendeten Texturen zeitgemäß-, Charaktermodelle perfekt ausgearbeitet- oder Rätsel haarsträubend sind.
Ist es dir nicht auch schon einmal passiert, dass du nach einem ausführlichen Wertungsbericht inkl. 6-8 Seiten Test völlig verunsichert warst? Am Schluss erhält das Spiel 83 Punkte. Im Gegenzug werden aber Contra-Aufzählungen ohne Ende vergeben, bei denen du oft denkst „Nö, wenn das so ist, dann will ich das Spiel nicht!“
Oder umgekehrt, ein Spiel fällt gnadenlos durch weil es nicht den üblichen Qualitätsmerkmalen entspricht. Du zockst es aber dann doch und hast einen Heidenspaß damit.
Der Kompromiss
Um am Ende nicht total gegen den Strom zu schwimmen, wurde daraus ein Kompromiss. Irgendwie auch eine Mischung aus meinem eigenen System und den üblichen Wertungskriterien.
Wie andere auch, bewertete ich beispielsweise Merkmale wie Grafik, Spielmechanik oder Umfang.
Wozu?
Das interessiert kein Mensch, wenn das Spiel ein geiles Spiel ist.
Heute – ca. 4 Jahre später – hat sich auf dem Spielemarkt auch unheimlich viel getan. Aber auch an meiner Sichtweise…
Indie-Spiele haben Hochkonjunktur und können mit Kriterien wie Grafik oder Spieltiefe gar nicht fair bewertet werden.
Erfolgreiche Spiele wie MineCraft passen in kein Bewertungsschema und würden bei den Magazinen komplett durchfallen. Obwohl es Millionen Spieler lieben!
Das jüngste Beispiel: PlayerUnknown’s Battlegrounds. Nach dem offiziellen Release konnte es auch endlich bewertet werden. Im Schnitt kamen da aber 70-80 Punkte raus? Passt das zu einem so erfolgreichen Titel? Wenn zeitgleich über zwei Millionen Spieler auf den Servern zocken, sollte das Spiel meiner Meinung nach über 90 Punkte haben.
Das neue Wertungssystem
Es ist also aus zwei Gründen Zeit für ein neues Wertungssystem.
- Ich möchte endlich mein eigenes System zu 100% umsetzen.
- Aktuelle Entwicklungen auf dem Spielemarkt.
Ich habe mir die letzten Tage/Wochen viel Gedanken gemacht. Wie könnte ich in Zukunft spiele bewerten?
Das Ergebnis
Was ist mir persönlich bei einem Spiel wichtig? Wann macht ein Spiel Spaß und wann landet es auf dem Pile of Shame?
Ich will nicht für die breite Masse bewerten – gamer83.de soll eine gewisse Gruppe Gamer repräsentieren.
Und zwar leidenschaftliche Gamer, die gerne mit Freunden und atmosphärische Spiele zocken. Sie stehen bereits fest im Leben und haben eventuell schon Familie und ein Eigenheim. Sie haben schon viele Spiele gesehen und möchten keine Zeit verschwenden (von der sie womöglich fürs Gaming nicht viel haben).
Eine objektive Wertung für die breite Masse machen genug andere und genug große Magazine.
Klar bedeutet das in diesem Moment, dass die Bewertungen subjektiver werden. Man könnte sich über einige Punkte streiten und Geschmäcker sind verschieden.
Aber das ist gut so!
Warum soll ich ein Spiel auf die gleiche Weise bewerten wie andere? Da könnte ich die Bewertung ja auch abtippen oder verlinken…
Alles unwichtige muss weg
Was für das neue Wertungssystem nicht wichtig ist, fliegt raus…
Grafik & Umfang
Tut mir echt leid für die Grafikenthusiasten. Aber die Grafik ist zu einem der unwichtigsten Merkmale geworden.
Nicht falsch verstehen: Die Grafik ist mir nicht total egal. Ich liebe es sogar, wenn meine Maschine aus allen löchern dampft, nur um die beste Pixelpracht auf den Monitor zu zaubern. Aber sie trägt bei einem genialen Spiel nichts zum Spielspaß bei.
Den Umfang zu bewerten fand ich vor einer Weile eine ganz gute Idee. Ist aber Quatsch! Als würden gute Bücher nach der Seitenzahl bewertet. Also raus damit…
Soundtrack
Die musikalische Untermalung war für mich als Musiker immer ein wichtiger Punkt. Höre ich doch eher auf den Soundtrack als andere. Aber genau das machte das Bewertungssystem etwas zu subjektiv. In Zukunft fließt der Sound mit in die Atmosphäre ein, wo er auch hingehört.
Spieltiefe
Damit ist das so eine Sache. Sie ist zwar ein messbares Merkmal, meiner Meinung aber kein Bewertungskriterium.
Liest du dir die Definition der Spieltiefe auf Wikipedia durch, merkst du auch schnell warum. Spieltiefe zu erzeugen ist kein Hexenwerk. Sie jedoch so einzusetzen, damit sie zum Spielspaß beiträgt, ist erst die wahre Kunst. Zu viel Spieltiefe wirkt sich oft auch frustrierend aus.
Somit wird die Qualität der verwendeten Spieltiefe künftig unter der Langzeitmotivation ein neues Zuhause finden.
Was bleibt?
Was von Anfang an fester Bestandteil war, sind die Aufzählungen „Das war der Hammer!“ und „Das nervt…“.
Ähnlich wie „PROs“ und „CONTRAs“ bei vielen anderen Wertungssystemen, sollen diese Punkte etwas anders funktionieren…
Das ist der Hammer!
Was hat mich bei einem Spiel so richtig aus den Socken gehauen? War es vielleicht etwas, das nur DIESES Spiel hat? Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal? Oder war es einfach nur eine Spielmechanik, die mir maximalen Spaß gebracht hat?
Das nervt…
Fast jedes Spiel hat es. Diese eine Sache, die dich immer wieder nervt. Ein furchtbares Speichersystem. Ein NPC, der blöd daherlabert oder ein ganzes Spielelement, was den Spaß trübt.
Manchmal kommt es aber auch vor, dass Spiele einfach nichts nerviges haben. Dann ist es meistens auch ein spaßiges Spiel :-)
Was ist neu?
Ok, kommen wir zum entscheidenden Teil. Was soll alles an neuen Gesichtspunkten in die Wertungen mit einfließen?
Handlung & Atmosphäre
Einer der wichtigsten Bewertungsgrundlagen! Besitzt das Spiele eine schlechte Handlung oder stimmt die Atmosphäre nicht, macht es keinen Spaß. Das ist Fakt.
Ist die Handlung flach wie eine Daily-Soap oder hat sie Tiefgang? Passt die Atmosphäre zum Gameplay und zur Story selbst? Wie ist das Spiel musikalisch untermalt? All diese Punkte fließen in die Wertung mit ein.
Selbstverständlich gibt es Spiele, die keine Handlung oder eine stimmige Atmosphäre brauchen. Das sind in der Regel aber reine Multiplayer-Titel oder Sport- und Rennspiele. Diese werden aber auf gamer83.de nicht bewertet. Nur gespielt…
Story-Mechanik & Immersion
Dieses Kriterium ist der Kern des neuen Systems und das Ergebnis reifer Überlegung sowie intensiver Recherche.
Die Story-Mechanik stellt ein weiterentwickeltes Prinzip der Spielmechanik dar. Ausschlaggebend dafür war ein Artikel von Professor Dr. Michael Bhatty. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, wie gut das Spiel mittels der Spielmechanik die Handlung an den Spieler heranbringt und auf ihn wirken lässt. Wenn du mich fragst, die Essenz eines Top-Spiels!
Mit der Immersion möchte ich beschreiben, wie intensiv du als Spieler in das Spiel eintauchst, die Welt um dich herum vergisst und dich mit den Charakteren identifizierst. Auch in wie fern dich das Spiel beschäftigt wenn du mal nicht am zocken bist. Du weißt schon was ich meine ;-)
Spieldesign & Präsentation
Hierbei geht es darum, wie sich das Spiel präsentiert und mit welcher „Liebe“ es designt wurde. Sprich wie abwechslungsreich und aufwendig sind die Schauplätze, wie gestaltet sich die Menüführung, wie ist die Qualität der Missionen, Rätsel und Dialoge. Passt die Synchronisierung? Gibt es eine besondere Liebe für Details?
All diese Punkte sind Beispiele für eine Vielzahl an möglichen Bewertungsgrundlagen für Spieldesign & Präsentation. Diese kennen wir auch ausnahmsweise von anderen Systemen.
Suchtfaktor & Langzeitmotivation
Je nach Genre und Ziel des Spiels kann die hier vergebene Punktzahl mal eher auf den Suchtfaktor oder auf die Langzeitmotivation abzielen.
Beispiel: Ein Point & Click Adventure wie Thimbleweed Park wird wohl kaum eines der Spiele sein, bei denen du nicht mehr aufhören kannst. Dagegen braucht es eine hohe Langzeitmotivation, damit du am Ball bleibst. Ein Anno-Titel dagegen besitzt die Langzeitmotivation automatisch durch das Gameplay. Ein hoher Suchtfaktor spielt hier jedoch eine wesentliche Rolle zum Spielspaß.
Ob ein Spiel nur für den Suchtfaktor, die Langzeitmotivation oder beides bewertet werden kann, spielt keine Rolle. Unterm Strich gibt es eine Punktzahl für die passende und angebrachte Lösung.
Steuerung & Bedienung
Ein bisschen „messbar“ wird es dann doch noch im neuen Wertungssystem. Denn es gibt beim Zocken nichts schlimmeres, als eine furchtbar durchdachte Steuerung. Bis zum Finale die richtigen Tasten suchen geht gar nicht. Bei mauslastigen Spielen ist eine logische Bedienung wichtig. Häufig wird aber auch beim Portieren von Konsolenspielen nicht ausreichend an die PC-Steuerung gedacht.
Unterm Strich
Was bewirkt das neue Wertungssystem jetzt?
Ich denke, die neuen Bewertungskriterien zielen genauer auf das Thema „Macht das Spiel Spaß?“ ohne jedes Detail dazu auf die Goldwaage zu legen. Dazu ist das Wertungssystem perfekt auf die Art Spiele zugeschnitten, die auf gamer83.de getestet und bewertet werden.
Außerdem siehst du auf einen Blick, welche Spielinhalte mir besonders gefallen haben (Das ist der Hammer!) oder was einfach tierisch nervt beim Spielen (Das nervt…).
Wie sehr sich die Wertung verändert, habe ich einmal am Beispiel Resident Evil Remastered verglichen.
Wie du siehst, ändert sich die Wertung nicht so sehr, wie es der vorangegangene Text vielleicht hätte vermuten lassen.
Sie wird genauer!
Trotz allem wird es nach wie vor zu jeder Wertung einen Blogbeitrag geben. Hier ist immer etwas Spielraum für besondere Beobachtungen.
Und jetzt?
Im nächsten Schritt werden alle bestehenden Wertungen auf das neue System umgestellt.
Zu Test- und Demozwecken wurde bereits Hard West und Resident Evil Remastered umbewertet.
Sag mir doch per Kommentar, was du vom neuen Wertungssystem hältst. Hast du Anregungen oder Wünsche? Oder ist alles Quatsch? Ich freue mich auf deine Meinung…
Melideas
Finde ich eine nette Idee – vorallem das mit der Langzeitmotivation gefällt mir, da ich mich oft bei Spielen frage, ob sie mich langfristig motivieren können oder dann doch wieder recht schnell in der Ecke landen.
Da du vorallem deine eigene Meinung darstellen willst, ist das auf jeden Fall eine gute Lösung und bringt auch deinen eigenen Stil gut rüber. Weil manche wollen ja vielleicht auch eine subjektive Meinung und nicht die Meinung eines großen Magazins, welches meiner Meinung nach eh nur im kollektiv gegenseitig die Meinung wiederkäut. Zumindest kommt mir das oft so vor.
Wenn ich Videotest A gesehen habe, muss ich meißtens Videotest B nicht anschauen oder Videotest C in schriftlicher Form lesen, weil es am Ende immer aufs Gleiche rauskommt.
Dennis | gamer83.de
Du bringst es ziemlich genau auf den Punkt :-) Schön, dass dir mein System gefällt. Vor allem gehören so viele Magazine inzwischen zu einem großen Verlag.